Montag, 16. Mai 2016

Bist du nicht normal? - Deutschlerner berichten

Mit diesem Titel ist bei Amazon mein Büchlein über Erfahrungen beim Deutsch lernen und unterrichten erschienen:

Bist du nicht normal? -Deutschlerner berichten

Dienstag, 27. November 2007

Ein Versprecher (mit Migrationshingtergrund)




“What’s your ethnic make up?” - Vielleicht übersetzbar mit: "Wie wird deine ethnische Herkunft definiert?"
Dieser 5-Minutenfilm der 17-jährigen Schülerin Karen Lum (USA) hat im Mai dieses Jahres auf dem San Francisco Filmfestival den Golden Award der Jugend gewonnen. Sie hat den Film nach einem Gedicht des Poeten Adriel Luis aus Berkeley gedreht.
Ein junger Mann setzt sich an einer Bushaltestelle auf eine Bank und sucht den Kontakt zu einer jungen Frau, die dort sitzt und offenbar auf den Bus wartet. Sein Annäherungsversuch mit “What’s your ethnic make up?” erfährt eine Belehrung, die sich gewaschen hat: Sie antwortet mit einem Rap-Song und beleuchtet die Formulierung "ethnic make-up" kritisch. Nach ihrer Auffassung lässt man sich nicht von anderen definieren, sondern man hat seine Herkunftsidentität aus Überzeugung und aufgrund von Wissen. Das Kurzvideo kann im Englischunterricht mit Fortgeschrittenen behandelt werden, wenn es um Fragen der Integration von Migranten und deren Selbstverständnis oder um Vorurteile zur Geschlechterrolle und Bekämpfung von Rassismus geht. Der englische Text des Videos ist sehr schnell gesprochen, man muss ihn lesen, wenn man alles verstehen will. Englischer Text hier. Hier ist unsere Übersetzung aus dem Amerikanischen: Ein Versprecher Meine glühenden Augen durchdringen sie. Und ich bin sicher, dass ihr so etwas nicht fremd ist, weil das Wesen ihrer Schönheit, ja, sagen wir mal, das Wesen der Schönheit ist. Und während ich in der Anwesenheit dieses höheren Wesens bin, haut mich die Schwäche meiner Mannlichkeit um, dann muss ich meine 'Macho'-Persönlichkeit 'raushängen lassen, der Schüsse-Zähler, das Geschenk Gottes an die Weiber der Welt, im glänzenden Anzug, in der Verpackung eines Rappers: "Eh, was läuft Kleine, wie ist das Leben, was für ein Sternzeichen hast du, welche Körbchengröße, dein Stil gefällt mir, ja, ja." Aber diese Frau ist nicht blöd. Blitzschnell und von oben herunter sagt sie: "Junge, du hast wohl ´nen Knall!" Da guck ich mich an und denke: "Mann, hab ich denn noch alle?" Aber egal, wie ich noch mal so rüber guck, find` ich: "Ihr Stil hat was." Also geh ich noch mal ran. Aber statt sie ganz normal anzusprechen, wie es so üblich ist, rülps` ich einen von meinen gekünstelten Macho-Anmachsprüchen `raus, etwa: “Mädel, du bist wohl`n Verkehrsverstoß, weil da überall so schön "Strafmandat" auf dir geschrieben steht." Darauf will sie abhauen, aber ich will, dass sie dableibt. Mein letzter Versuch also, ich stottere etwas wie: "Mädel, was für einen Migrationshintergrund gibt dir deine Schminke?" Bei dieser Frage durchbrennt mich ihr Blick, und irgendwie schafft sie es, dass ihre Augen wie ein braunes Feuer oder so aussehen. Aber sie macht kein Fingerschnipsen oder so eine Kopfbewegung, keine Hand vor`s Gesicht, kein Schnalzen mit der Zunge, keinen Stinkefinger, kein Augenrollen, keine Lippendrehung und kein frauen-power-bewegtes Gezeter. Sie brennt mit ihren Augen einfach durch mich hindurch und ihr Blick packt mich am Hals. Sie sagt: "Schminke eines Migrationshintergrundes?" Sie sagt, "Erstens, Schminke ist nur ein anglisiertes, kolonisiertes, bequem angepasstes Mittel, auf das meine Schwestern konsum-programmiert sind, wodurch sie gezwungen werden, ihren Naturzustand zu verdecken, damit sie eine andere Frau in deren Naturzustand nachahmen, weil man ihnnen immer wieder einredet, dass der natürliche Zustand der anderen Frau schöner ist. Dabei ist die andere Frau gar nicht in ihrem natürlichen Zustand, weil sie ja bereits versucht, eine andere Frau nachzuahmen, und in Wirklichkleit war der natürliche Zustand, den die erste Frau versucht nachzuahmen, von Anfang an gar nicht natürlich. Jetzt denke ich, "Verdammt, dieses Mädchen hat was drauf!" Und derweil spuckt sie immer noch mehr von der Sache raus: "Gut. Ich sage dir was über mein Make-up und meinen Migrationshintergrund. Ich trage Make-up, aber nicht den Puderscheiß. Ich trage die Grundierung meiner Herkunft und meines Volkes. Das ist die Grundierung, die bewirkt, dass die Vergangenheit globalisiert wird. Ich kann immer noch mit Gewissheit sagen, dass ich weiss, wo meine Wurzeln sind. Ich trage diese Grundierung nicht auf meinem Gesicht, sondern in meiner Seele. Und ich übernehme sie von meinen Vorfahren, weil ich darauf scheiße, dass mir irgend ein amerikanisches oder europäisches Großunternehmen sagt, wie meine Grundierung aussehen sollt Ich trage Lippenstift, damit meine Lippen an den Ohren der Männer kleben, so dass sie in vollem Raumklang meine Schmerzensschreie erleben können mit jedem Schlag von Messlatten, Maßband und Waage, als ob meine Taille und mein Gewicht umgekehrt proportional zu meinem Wert als Mensch wären. Guck dir meine Lippen an, sie kleben, aber nicht zusammen. Vielmehr reiß ich sie auseinander, um mit Flammen jene Kultur niederzubrennen, die mich früher dazu brachte, dass ich sie zusammengepresst hielt. Ja, gut, ich mache etwas mit meinen Lidschatten. Aber meine Augen überschatten diese Zeit, in der Ihr Euch alle Mühe gabt, mich blind zu halten. Aber Ihr könnt meine Augen nicht zudecken, schau mir hinein! Meine Augen sagen die Veränderung voraus. Meine Augen sehen Licht in der Zukunft. Und ich habe nichts mit Haarefärben am Hut, sondern ich sterbe hier, weil ich diese Unterdrückung nicht aus meinen Haaren `rauskriege. Ich habe diese hellen Streifen. Das sind die Streifen früher erlittener Grausamkeiten, das ist die Unterdrückung, die ich nicht abwaschen kann, die mir im Kopf herumwirbelt, mich verdreht und fesselt. Diese Unterdrückung ist real. Sie stresst mich so, dass mein Haar in ein Paar Jahren so aussehen wird, als ob ich es grau gefärbt hätte. Also, was für `nen Migrationshintergrund hab` ich? Überhaupt keinen. Weil man es sich nicht einfach draufschminken kann, zu welchem Volk man gehört und von wem man abstammt. Und was diesen Scheiß angeht, den sich meine Schwestern ins Gesicht schmieren: Das ist keine Grundierung, das ist Schminke.“ Ich kann irgendwie nicht mehr zu ihr hoch gucken. Und ich bin sicher, dass sie das schon kennt, wie ich reagiere, weil ihr Gesichtsausdruck zeigt, dass sie weiß, dass mein Verstand eben weggetreten ist. Während das Geräusch ihrer Schritte schwächer wird, bleib ich zurück mit meinem Ego in Stücken. Und noch nie war mir der Klang einer Abweisung so süß. (Übersetzung M.Ulrich und M.Rakhcheva, Studierende am Studienkolleg Bonn, mit freundlicher Genehmigung durch Karen Lum, Dezember 2006) Themenkreis: Race, Racism, Ethnicity, Tolerance, Justice, Women, Girls, Identity, Asian-American, Poetry, Poem

20.11.05 „ngstschw“ - Ein deutsches Wort mit acht Konsonanten?

Ein Student aus Afrika musste zur Ausländerbehörde gehen, um seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern zu lassen. Die Sache war heikel. Für seine Studienvorbereitung mit Sprachkurs und Studienkolleg hatte er bereits zwei Jahre in Deutschland verbracht. Er stand kurz vor einer entscheidenden Prüfung. Aber es war völlig unsicher, ob das Ausländeramt seinen Aufenthalt verlängern würde. Als er auf der Wartebank vor dem Dienstzimmer des Sachbearbeiters saß, fühlte er, wie ihm der kalte Schweiß floss. Später sagte er: „Da merkte ich, dass ich Angst hatte, und zwar die Angst vor der Ausweisung noch vor der Prüfung. Zum Glück konnte ich an der Prüfung teilnehmen und in Deutschland mit dem Studium anfangen.“ Er berichtete weiter: „Bald lernte ich, dass es für meine körperliche Reaktion ein besonderes Wort gibt: Angstschweiß (1). Das Wort ist ein Monster. Es hat acht Konsonanten hintereinander. Ich kenne kein anderes Wort mit so vielen Konsonanten in einer Reihe, keines, bei dem ich so viel Angst hatte.“ ______________ (1)Angstschweiß, eine biologische Erklärung: „Der sprichwörtliche Adrenalinausstoß hat neben dem Schwitzen an Händen, Füßen und Achsel aber noch weitere Effekte. Die Blutversorgung wird von den äußeren Hautschichten ins Körperinnere verlagert, die Haut wird bleich und schlechter durchblutet. Die Schweißtropfen können daher nicht wie beim Hitzeschweiß durch die Hautwärme verdampfen. Deshalb rinnen die Tropfen unverdampft auf der kalten Haut herunter, und wir spüren, dass uns buchstäblich "der kalte Schweiß" ausbricht. Aufmerksame Beobachter, bzw. Beschnupperer wissen auch, dass Angstschweiß anders und strenger riecht. Auch dies ist eine Wirkung des Adrenalins. Das Stresshormon kontrahiert neben den Blutgefäßen auch gleichzeitig die apokrinen Duftdrüsen. Im Gegensatz zum Hitzeschweiß der nichts mit den Duftdrüsen zu tun hat, wird daher beim Angstschweiß automatisch auch mehr Geruch produziert.“ http://www.quarks.de/schweiss/0302.htm © gmiklitz 2005 posted by G. Miklitz @ 11:43 links to this post

25.6.05 Grammatik im Taxi - Verständigungsproblem eines ausländischen Studenten, der Deutsch lernt

Ein ausländischer Student kommt mit dem Zug am Bahnhof in Bonn an. Hier will er studieren und die noch bestehenden sprachlichen Hürden des Ausländerstudiums nehmen. Da er sich in der Stadt noch nicht auskennt, beschließt er, ganz entgegen seiner auf Sparsamkeit bedachten Gewohnheit, ein Taxi zu nehmen. Etwas unsicher geht er am Taxistand auf einen Wagen zu. Dabei erinnert er sich an seinen Sprachkurs, an Vokabeln, Mustersätze, und grammatische Regeln: „Guten Tag“, „Ich möchte ....“, „eine Fahrkarte“, „einen Sitzplatz - (Akkusativ)“, „am Fenster - (Dativ)“. So geht es ihm durch den Kopf. Aber je näher er zum Taxi kommt, desto nervöser wird er. Ihm ist noch gar nicht klar, was er dem Taxifahrer sagen soll. Sein Körper scheint sich wie von selbst voran zu bewegen. Schneller als er dachte, öffnet seine Hand die Tür des Taxis. „Gutten Tak“, sagt sein Mund wie von alleine. Und schon sitzt er neben dem Fahrer, der sogleich den Motor startet und losfährt. Der Fahrer hat kurz „Jooten Tach“ gesagt und fügt nun hinzu: „Wo soll`s dann hinjehen?“ Unser ausländischer Freund versteht zu seinem Entsetzen kein Wort. Er sucht verzweifelt nach bekannten sprachlichen Mustern. Vorsichtshalber nickt er zustimmend, denn er hat schon öfter erfahren, dass er mit dieser friedlichen Geste nicht viel falsch machen kann. Der Fahrer wiederholt seine Frage, zwar erheblich lauter als vorher, aber keineswegs deutlicher in der Aussprache. Wieder blickt der Student ihn fragend an und bleibt stumm vor Schreck. Da wird der Taxifahrer ungeduldig und ruft ihm laut entgegen: „Wohin?“ - Wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort: „Akkusativ!“ Der Taxifahrer, ein der weiten Welt freundlich zugeneigter Rheinländer mit Menschenkenntnis und viel Erfahrung, antwortet schmunzelnd: „Joot, Jong, also dat Studienkollech?“ (Hochdeutsch: Gut, Junge, also das Studienkolleg?) copyright 2005 by g.miklitz posted by G. Miklitz @ 00:28 links to this post


Kein Kaninchenkaffee - Kleine Geschichte über das Ausspracheproblem eines ausländischen Studenten

In Deutschland gibt es viele schöne Cafes. Man trinkt Tee oder Kaffee, und meistens kann man aus einem reichen Angebot an Torten und Kuchen wählen. Das gehört zur deutschen Kultur. Wer als Ausländer neu in Deutschland ist und nur wenig Deutsch spricht, kann trotzdem ein Cafe besuchen und etwas bestellen, wie in folgender Szene. - "Bitte schön?" - "Eine Tasse Kaffee, bitte." - "Jawohl, eine Tasse Kaffee." (Der Kellner holt den Kaffee und kommt zurück.) - "Bitte schön, eine Tasse Kaffee." - "Danke." - "Das macht 1,50 Euro." So einfach ist das. Das dachte auch Todor M. Er hatte alles im Kopf und wusste genau, was er sagen wollte. Er ging ins Cafe, wo ein paar Freunde schon auf ihn warteten. Als er sich umblickte und sah, was die Deutschen bestellt hatten, kam ihm eine Tasse Kaffe zu wenig vor und er sagte tapfer: - "Ein -eh- Kä-nehn-chen Kaffe, bittäh." - "Wie bitte? Kaninchen-Kaffee haben wir nicht." Alle lachten. Todor schaute etwas ratlos. Einer zeigte mit seinen Händen neben dem Kopf, wie lang die Ohren von Hasen oder Kaninchen sind. - "Meinen Sie vielleicht ein Kännchen Kaffee?" - "Ja, bittäh ein Kä-nehn-chen Kaffee", sagte Todor und fühlte, wie es ihm heiß wurde, weil er sich schämte. In Zukunft würde er nur eine Tasse Kaffee bestellen, nie wieder ein Kännchen, nie wieder "Kaninchenkaffee"! posted by G. Miklitz @ 22:29 links to this post

Blogs in Deutsch als Fremdsprache

Die Blogs sind als Medien in Deutsch als Fremdsprache (DaF)schon vor ein paar Jahren entdeckt worden. Ihre bemerkenswerte Nutzung in der Praxis scheint im Jahr 2006 begonnen zu haben. Wer als Lehrender und Lernender surft, wird auf dem DaF-Blog der Schweizerin Cornelia Siteware mit dem Titel "Wissenswertes über das Deutschlernen und -lehren mit und ohne Internet" fündig. Hier ein Überblick über eine dortige Stichwortliste mit anklickbaren Themen: * Aussprache * E-Learning o Einsatz von E-Learning o Programme für E-Learning o Ressourcen für E-Learning * Für Lehrende * Für Lernende o A1 o A2 o B1 o B2 o Niveau C * Grammatik * Hören * Helvetismen * in eigener Sache * Landeskunde * Lerntipps * Lesen * Mit Englisch * Ohne Kategorie * Rechtschreibung * Schreiben * Spiele * Sprachbetrachtung * Sprechen * Wortschatz o Wörterbücher o Wortbildung Wie war noch mal der Link zu diesem bemerkenswerten Blog?

 DaF-Blog