“What’s your ethnic make up?” - Vielleicht übersetzbar mit: "Wie wird deine ethnische Herkunft definiert?"
Dieser 5-Minutenfilm der 17-jährigen Schülerin Karen Lum (USA) hat im Mai dieses Jahres auf dem San Francisco Filmfestival den Golden Award der Jugend gewonnen. Sie hat den Film nach einem Gedicht des Poeten Adriel Luis aus Berkeley gedreht.
Ein junger Mann setzt sich an einer Bushaltestelle auf eine Bank und sucht den Kontakt zu einer jungen Frau, die dort sitzt und offenbar auf den Bus wartet. Sein Annäherungsversuch mit “What’s your ethnic make up?” erfährt eine Belehrung, die sich gewaschen hat: Sie antwortet mit einem Rap-Song und beleuchtet die Formulierung "ethnic make-up" kritisch. Nach ihrer Auffassung lässt man sich nicht von anderen definieren, sondern man hat seine Herkunftsidentität aus Überzeugung und aufgrund von Wissen. Das Kurzvideo kann im Englischunterricht mit Fortgeschrittenen behandelt werden, wenn es um Fragen der Integration von Migranten und deren Selbstverständnis oder um Vorurteile zur Geschlechterrolle und Bekämpfung von Rassismus geht. Der englische Text des Videos ist sehr schnell gesprochen, man muss ihn lesen, wenn man alles verstehen will. Englischer Text hier. Hier ist unsere Übersetzung aus dem Amerikanischen: Ein Versprecher Meine glühenden Augen durchdringen sie. Und ich bin sicher, dass ihr so etwas nicht fremd ist, weil das Wesen ihrer Schönheit, ja, sagen wir mal, das Wesen der Schönheit ist. Und während ich in der Anwesenheit dieses höheren Wesens bin, haut mich die Schwäche meiner Mannlichkeit um, dann muss ich meine 'Macho'-Persönlichkeit 'raushängen lassen, der Schüsse-Zähler, das Geschenk Gottes an die Weiber der Welt, im glänzenden Anzug, in der Verpackung eines Rappers: "Eh, was läuft Kleine, wie ist das Leben, was für ein Sternzeichen hast du, welche Körbchengröße, dein Stil gefällt mir, ja, ja." Aber diese Frau ist nicht blöd. Blitzschnell und von oben herunter sagt sie: "Junge, du hast wohl ´nen Knall!" Da guck ich mich an und denke: "Mann, hab ich denn noch alle?" Aber egal, wie ich noch mal so rüber guck, find` ich: "Ihr Stil hat was." Also geh ich noch mal ran. Aber statt sie ganz normal anzusprechen, wie es so üblich ist, rülps` ich einen von meinen gekünstelten Macho-Anmachsprüchen `raus, etwa: “Mädel, du bist wohl`n Verkehrsverstoß, weil da überall so schön "Strafmandat" auf dir geschrieben steht." Darauf will sie abhauen, aber ich will, dass sie dableibt. Mein letzter Versuch also, ich stottere etwas wie: "Mädel, was für einen Migrationshintergrund gibt dir deine Schminke?" Bei dieser Frage durchbrennt mich ihr Blick, und irgendwie schafft sie es, dass ihre Augen wie ein braunes Feuer oder so aussehen. Aber sie macht kein Fingerschnipsen oder so eine Kopfbewegung, keine Hand vor`s Gesicht, kein Schnalzen mit der Zunge, keinen Stinkefinger, kein Augenrollen, keine Lippendrehung und kein frauen-power-bewegtes Gezeter. Sie brennt mit ihren Augen einfach durch mich hindurch und ihr Blick packt mich am Hals. Sie sagt: "Schminke eines Migrationshintergrundes?" Sie sagt, "Erstens, Schminke ist nur ein anglisiertes, kolonisiertes, bequem angepasstes Mittel, auf das meine Schwestern konsum-programmiert sind, wodurch sie gezwungen werden, ihren Naturzustand zu verdecken, damit sie eine andere Frau in deren Naturzustand nachahmen, weil man ihnnen immer wieder einredet, dass der natürliche Zustand der anderen Frau schöner ist. Dabei ist die andere Frau gar nicht in ihrem natürlichen Zustand, weil sie ja bereits versucht, eine andere Frau nachzuahmen, und in Wirklichkleit war der natürliche Zustand, den die erste Frau versucht nachzuahmen, von Anfang an gar nicht natürlich. Jetzt denke ich, "Verdammt, dieses Mädchen hat was drauf!" Und derweil spuckt sie immer noch mehr von der Sache raus: "Gut. Ich sage dir was über mein Make-up und meinen Migrationshintergrund. Ich trage Make-up, aber nicht den Puderscheiß. Ich trage die Grundierung meiner Herkunft und meines Volkes. Das ist die Grundierung, die bewirkt, dass die Vergangenheit globalisiert wird. Ich kann immer noch mit Gewissheit sagen, dass ich weiss, wo meine Wurzeln sind. Ich trage diese Grundierung nicht auf meinem Gesicht, sondern in meiner Seele. Und ich übernehme sie von meinen Vorfahren, weil ich darauf scheiße, dass mir irgend ein amerikanisches oder europäisches Großunternehmen sagt, wie meine Grundierung aussehen sollt Ich trage Lippenstift, damit meine Lippen an den Ohren der Männer kleben, so dass sie in vollem Raumklang meine Schmerzensschreie erleben können mit jedem Schlag von Messlatten, Maßband und Waage, als ob meine Taille und mein Gewicht umgekehrt proportional zu meinem Wert als Mensch wären. Guck dir meine Lippen an, sie kleben, aber nicht zusammen. Vielmehr reiß ich sie auseinander, um mit Flammen jene Kultur niederzubrennen, die mich früher dazu brachte, dass ich sie zusammengepresst hielt. Ja, gut, ich mache etwas mit meinen Lidschatten. Aber meine Augen überschatten diese Zeit, in der Ihr Euch alle Mühe gabt, mich blind zu halten. Aber Ihr könnt meine Augen nicht zudecken, schau mir hinein! Meine Augen sagen die Veränderung voraus. Meine Augen sehen Licht in der Zukunft. Und ich habe nichts mit Haarefärben am Hut, sondern ich sterbe hier, weil ich diese Unterdrückung nicht aus meinen Haaren `rauskriege. Ich habe diese hellen Streifen. Das sind die Streifen früher erlittener Grausamkeiten, das ist die Unterdrückung, die ich nicht abwaschen kann, die mir im Kopf herumwirbelt, mich verdreht und fesselt. Diese Unterdrückung ist real. Sie stresst mich so, dass mein Haar in ein Paar Jahren so aussehen wird, als ob ich es grau gefärbt hätte. Also, was für `nen Migrationshintergrund hab` ich? Überhaupt keinen. Weil man es sich nicht einfach draufschminken kann, zu welchem Volk man gehört und von wem man abstammt. Und was diesen Scheiß angeht, den sich meine Schwestern ins Gesicht schmieren: Das ist keine Grundierung, das ist Schminke.“ Ich kann irgendwie nicht mehr zu ihr hoch gucken. Und ich bin sicher, dass sie das schon kennt, wie ich reagiere, weil ihr Gesichtsausdruck zeigt, dass sie weiß, dass mein Verstand eben weggetreten ist. Während das Geräusch ihrer Schritte schwächer wird, bleib ich zurück mit meinem Ego in Stücken. Und noch nie war mir der Klang einer Abweisung so süß. (Übersetzung M.Ulrich und M.Rakhcheva, Studierende am Studienkolleg Bonn, mit freundlicher Genehmigung durch Karen Lum, Dezember 2006) Themenkreis: Race, Racism, Ethnicity, Tolerance, Justice, Women, Girls, Identity, Asian-American, Poetry, Poem |
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